WW10 - Nachgereifte Whiskys
In den lezten Jahren werden bei immer mehr Brennereien Whiskys mit Nachreifung angeboten. Ein ursprünglicher Whisky im Bourbonfass gereift, wird zum Abschluss nochmals in einem aromastarken Fass nachgereift. Diese aromastarken Fässer können beispielsweise ehemalige Sherryfässer, Portweinfässer, Rumfässer oder auch Weinfässer sein. Die Nachreifung findet meist in erstbefüllten Fässern statt, damit noch das volle Aroma des vorherigen Inhalts im Holz enthalten ist und in den Whisky übergehen kann.
Grundsätzlich ist diese Nachreifung nicht negativ zu sehen, wenn sie dazu dient, einem guten Ausgangsprodukt noch zusätzliche Aromen mitzugeben, um die Komplexität des Geschmacks weiter zu erhöhen. Doch es muss festgestellt werden, dass heute diese Methode auch durchaus dazu verwendet wird, bei einem Whisky etwas vorzutäuschen, was überhaupt nicht vorhanden ist. So wird diese Methode durchaus auch bei folgenden Ausgangswhiskys verwendet:
- Sehr junge Whiskys mit vielleicht gerade mal 6 Jahren Fasslagerung
- Whiskys aus ehemaligen Bourbonfässern, die bereits mehrmals befüllt waren
- Whiskys die wegen kleinerer Brennereifehler, oder aber auch Fassfehlern kein optimales Aroma aufweisen
In diesen Fällen wird das Nachreifen dazu benutzt, einem Ausgangsprodukt, das (noch) nicht ausreichende Qualität aufweist, in kürzester Zeit ein besseres Aroma überzustülpen. Eigentlich ist es fast so, als würde man Geschmacksstoffe hinzugeben, um die nicht ausreichende Qualität zu verbergen und zu verbessern.
Aber, ein guter komplexer Geschmack besteht immer aus zwei Anteilen, dem Brennereicharakter und dem Fasscharakter. Das eine kann mit dem anderen nicht ersetzt werden. Der Brennereicharakter ist es, was eine Brennerei charakterisiert. Einfacher Satz, aber da steckt viel drin. Eine Brennerei unterscheidet sich von anderen Brennereien nicht durch die Nachreifung, sondern in dem ihr eigenen Charakter, der in den Whisky durch unterschiedliche Eigenschaften der Brennerei hineinkommt. Diese wären:
- Auswahl des Malzes
- Gärprozess und Verwendung eines speziellen Hefestammes
- Erzeugung der Wärme bei der Destillation
- Form und Größe der Brennblasen
- Führung und Steuerung der Destillation
In all diesen Dingen steckt das Wissen und das handwerkliche Können einer Brennerei. Und aus diesen Vorbedingungen resultiert das Destillat mit dem Umfang an Geschmacksstoffen. Das ist die Basis. Und wenn die nicht gut ist, kann das Endprodukt nicht besser werden.
Was aber kann heute am Markt beobachtet werden?
- Junge, nicht ausreichend im Fass gereifte Whiskys werden einer Nachreifung, beispielsweise im Sherryfass unterzogen. Das Ergebnis ist einfach nur starkes Aroma und Geschmack nach Sherry. Wenig Komplexität und Tiefe, da aus der Erstlagerung in der kurzen Zeit nur wenig Aromastoffe aufgenommen werden konnten
- Whiskys, die teilweise bis zu 20 Jahren in mehrfach benutzten Bourbonfässern gelagert wurden, und die nach dieser Zeit noch immer fast so hell sind wie Wodka. Aus diesen alten Fässern konnte außer Bitterkeit kaum ein anderes Aroma aufgenommen werden. Die Schnellnachreifung im Sherryfass bügelt alles glatt, der Whisky schmeckt stark nach Sherry, aber sonst ....?
- Eine Brennerei versteht (noch) nicht ausreichend viel vom Brennprozess und braucht noch ein paar Anläufe, bis ein harmonisches Produkt heraus kommt. Aber, die ersten Fässser vernichten? Das kostet Geld, und das hat man nicht. Also, Nachreifung lautet das Wunderwort.
Alle diese hier beschriebenen nachgereiften Whiskys werden, wenn sie in den gleichen Fässern nachgereift wurden, irgendwie gleich schmecken. Stark nach Sherry, Rum oder Wein. Aber komplexer Geschmack ist eben etwas anderes.
Na gut, Nachreifung ist heute einfach zeitgemäß, die selbsternannten Kenner lieben ihren nachgereiften Whisky mit Sherry- Rum- oder Weinaromen. Doch man sollte darauf achten, dass man, auch bei einem nachgereiften Whisky, einen komplexen Geschmack hinter dem Sherry erhält, und der Sherry nur eine Zugabe zur Gesamtkomplexität darstellt. Das kann eigentlich nur dann weitgehend sicher gestellt werden, wenn man einen nachgereiften Whisky mit Altersangabe, 12 Jahre, besser 15 Jahre auswählt. Dieser sollte dann, auch neben der Nachreifung ausreichend Aromen aufgenommen haben. Ein sehr gutes Beispiel für einen solchen Spitzenwhisky mit Nachreifung beispielsweise ist der Aberlour 16 Jahre.